Eigentlich wollte ich in diesem Jahr gar keinen schnellen Marthon laufen. Läufe durch schöne Landschaften gefallen mir einfach besser als Hetzereien nach Bestzeiten. So sollte der 50 km lange Schwäbisch-Alb-Marathon der Höhepunkt im Herbst werden und mich in die Wertung für den Europacup bringen. Einmal in der Woche lief ich mit meinem Ex-Nachbarn Heiko. Seine Avancen mit ihm zum München-Marathon zu fahren, verschmähte ich lange. Als der Halbmarathon in Halle mir eine persönliche Traumzeit bescherte, meldete ich mich doch für Müchen an. Die langen Läufe für den Halbmarathon waren über mehr als 25 km gegangen, so dass in den Wochen danach nur noch einige Dreißiger mit Tempoteilen fehlten. Die Vorbereitung gestalte sich problemfrei und ich empfand sie in diesem Jahr nicht so öde, wie die Vorbereitung auf den schnellen Marathon im vergangenen Jahr. Dazu hat sicher beigetragen, dass ich die Intervalle fast völlig durch Fahrtenspiel ersetzte, welches ich nach Gefühl und teils sehr moderat in alle Läufe einbezog.
Der Sonnabend in München ließ Vorfreude aufkommen. Ich bestaunte den zeitlos schönen Olympiapark, wo es die Startnummern gab. Beim gemeinsamen Abendessen trafen wir viele Läufer aus dem Forum. Dabei war auch Stephen, den ich seit einigen Jahren aus den Augen verloren hatte.
Der Sonntag begann mit blauem Himmel und niedrigen Temperaturen, die auf laufoptimale 16° steigen sollten. Sonne und ausreichend Toiletten sorgten für optimale Vorwettkampfbedingungen. Ich trennte mich am Start von Heiko und sortierte mich in den Block sub 3:45 ein. Am grünen Shirt erkannte ich einen anderen Läufer vom Rennsteiglaufverein. Hans-Jürgen, so heißt er laut Ergebnisliste, visierte auch die 3:30 an. Also liefen wir zusammen los. Die Pendelstrecke in der prachtvollen Ludwigstraße war schön und ich freute mich auf den Englischen Garten. Doch der Schnitt von knapp unter 5 min/km fiel mir erstaunlicherweise gar nicht so leicht und der Wortwechsel mit meinem Partner war eher kurzatmig. Ich überlegte, ob das Kratzen im Hals der Vortage doch Auswirkungen hat. Nachdem ich einen der ersten Bäume im Englischen Garten aus der Nähe betrachten musste, erwies sich das Aufholen als kompliziert. Auf den engen Wegen war das Überholen schwierig. Wenn der Marathon in München weiter Teilnehmer gewinnt, wird man wohl eine andere Strecke suchen müssen. Leider sah ich Lizzy nicht, die mir irgendwo bei km 10 zujubeln wollte. Ich bedauerte, dass die Strecke dann bald den schönen Englischen Garten verließ, wurde aber sofort vom Beifall der vielen Zuschauer am Parkausgang entschädigt. Mir ging es immer besser und ab km 15 erhöhte sich mein Tempo auf unter 4:50. Dabei verlor ich Hans-Jürgen. Ich musste aufpassen, dass ich nicht zu schnell wurde und begann von negativen Splits zu phantasieren.
Die Halbmarathonmarke passierte ich bei 1:44. Die Strecke führte nun mit erstaunlich vielen leichten An- und Abstiegen durch uninteressante Stadtstraßen. Bei km 28 erkenne ich erfahrungsgemäß, ob der Lauf eine Quälerei wird. Doch nichts passierte und ich freute mich bei km 32 meine persönlichen Fans zu treffen. Davor überquerten wir aber noch zwei mal den stimmungsvollen Marienplatz und kurz dahinter fotografiert mich BassTina.
Foto von BassTina |
Noch hatte ich ca. 3 min Vorsprüng auf die 3:30 und war ziemlich sicher, dass ich mein Ziel erreichen kann. Ich versuchte locker zu laufen, der Garmin zeigte eine Pace von knapp über 5 min, doch meine Wadenmuskeln gaben Krampfsignale. Da war schon der Start, von hier waren es noch 2 km. Stephen tauchte plötzlich hinter mir auf. Ich hatte ein Déjà vu. Vor einigen Jahren war mir dies auf dem Rennsteig wenige Kilometer vor dem Ziel passiert und ich hatte keine Kraft mehr gehabt, ihm zu folgen. Auch in München war ich langsamer und mußte weiter Tempo raus nehmen, weil die Krampfsignale deutlicher wurden. Doch Stephen blieb bei mir. Der Einlauf ins Olympiastadion war dann ganz großes Kino. Kurz vor dem Ziel reicht er mir seine Hand – ich nehme sie, reiße sie hoch. Bei 3:29:14 bin ich im Ziel.
Heiko kam später. Er hatte zwar seine Bestzeit gegenüber dem ersten Marathon um 15 min verbessert, war aber enttäuscht, weil er auf den letzten 12 km völlig eingebrochen ist. Hans-Jürgen sah ich nicht mehr, er war die zweite Hälfte deutlich langsamer gelaufen und kam bei 3:47 ins Ziel.
Meine Zielzeit ist am Tag danach für mich eigentlich immer noch unvorstellbar, vor allem weil ich das Gefühl habe, es geht auch noch etwas mehr. Allerdings weiß ich nicht, ob es meine Berufung ist, meine Bestzeit jährlich etwas weiter drehen zu wollen.
10 Kommentare:
bevor ich die mir Asche aufs Haupt streue, ein ganz fettes und herzliches:
RiesenGLÜCKWUNSCH zur GENIALEN Bestzeit!!!
Natürlich habe ich Deine Zeit gestern schon abgefragt. Nachdem ich Dich auf der Strecke verpasst habe - was biste aber auch SO schnell, Mensch ;)
Weil: ich war mal wieder knapp dran (kommt bei mir öfter mal vor ;) und wollte dann noch los. Meine Rechnung (Notrechnung quasi) war dann: er läuft irgendwo im 3:45 h - Bereich, evtl etwas schneller (wie kam ich drauf? Weiß ich gar nicht - hab nicht nachgesehen. Aber für SO flott hab' ich dich nicht eingeschätzt. Noch'n Kilo Asche ...) Dazu meinte ich: die starten die Truppe eh zeitversetzt - war damals immer so - so dass locker 5 und mehr Bruttominuten zu rechnen sind. Fahr ich also so zum für mich kürzesten Zuguckpunkt (was Ecke Salzenderweg / Cosimastraße bei km 19 ist), dass ich die Läufer ab ca. 3:30 h Zielzeit erwische. Dann ist der Jörg sicher dabei. Tja - und da stand ich dann so, dass ich das für richtig und passend hielt und guckte mir die Augen aus. Bis dann knapp 10 Minuten später die 3:45 Zugläufer mit Ballons vorbei defilierten ... da ahnte bzw. wußte ich: ich hab's vermasselt ;-(
Bin dann tapfer stehen geblieben bis auch der letzte Läufer durch war (zum lautstarken Jubeln allerdings tauge ich eher überhaupt nicht) und hab' zu Hause nach deinem Ergebnis geguckt und war platt!
Nochmal: Herzlichen Glückwunsch! Das ist grandios.
P. S. Ein klitzekleines bisschen geärgert hab' ich später dann doch, dass ich nicht doch mitgelaufen bin - wie langsam auch immer. Diese Lebkuchenhermedaille - die ist ja sowas von schnuggelisch - um die beneide ich dich!
Das liest sich sehr gut, Jörg, und dann noch persönliche Bestzeit, was willst du mehr ? Aber wie Männer so sind, nie zufrieden mit dem, was sie erreichen und streben immer nach mehr, oder irre ich mich ?
Sicherlich wirst du auch noch schneller werden können, wobei jedes Jahr zählt beim Älter-Werden.
Wie auch immer, lass dir gratulieren, viele träumen von einer Zeit, die du erreicht hast.
P.S.
In München bin ich zweimal gelaufen, außer dem Einlauf in das Olympiastation und der Nudelparty war ich nicht so begeistert.
Hallo Jörg,
irgendwie klappte das Kommentieren nicht, also noch einmal:
Herzlichen Glückwunsch zu dieser super Zeit! Für Schwäbisch Alb wünsche ich Dir viel Spaß dass Du Deine Ziele dort verwirklichen kannst!
Liebe Grüße
Ramona
Mensch Jörg, Du gehst ja ab...:o) Ganz, ganz herzlichen Glückwunsch. Von der 3:29 träumte ich auch lange Zeit und habe es nie gepackt. Im Gegensatz zu Dir hat mich das Training für die Langdistanz leider langsamer gemacht. Ich weiß nicht, ob ich es nochmal versuchen soll, ich glaube aber nicht. Dir nochmal Glückwunsch, geile Zeit!
Herzlichen Glückwunsch Jörg :-). Wahnsinns toller Lauf. Eine für mich unerreichbare Zeit. Vielleicht geht ja tatsächlich noch was, aber versucht man nicht immer wieder eine neue PB zu laufen? Du wirst das schon machen. Erhol dich gut.
LG Katrin
Glaub mir diese Zeit würde ich auch gerne nehmen ! Auch wenn du eingbrochen bist du hast die sub 3:30 geschafft- auf einmal !
Meinen herzlichen Glückwunsch !
Ps:
Könntest du mir mal die Zeit ausleihen? So nächstes Jahr im Frühjahr vielleicht?
Ganz herzlichen Glückwunsch, Jörg. Unglaublich, was du für eine Entwicklung in diesem Jahr genommen hast.
Ich freue mich schon auf das Wiedersehen im Schlaubetal :-).
Danke für die Glückwünsche. Irgendwie fühle ich mich gar nicht wie ein 3:30 Läufer.Habe eigentlich auch nicht anders trainiert als die Jahre zuvor. Wahrscheinlich macht die Lauferfahrung doch viel aus. Seit Jahren konnte ich ohne Verletzungen laufen.
Der Gedanke nun auf 3:20 zu trainineren, reizt mich übrigens nicht unbedingt. Wobei man nie nie sagen sollte.
Grüße
Jörg
Herzlichen Glückwunsch zum Durchbruch durch die persönliche Schallmauer :-) ! Ganz stark gelaufen. Von solch einem Lauf träumt wohl jeder Läufer ;-) . Ich hoffe, du hast dich gut erholt.
lG
Ralph
Starke Leistung, Jörg!
Ich bin mir sicher: der Gedanke an einen noch schnelleren Marathon wird dich nicht loslassen. Wenn man spürt, dass man sein Potenzial noch nicht ausgereizt hat, will man mehr. Ich spreche da aus eigener Erfahrung... Und bei deiner HM-PB darfst du noch einiges erwarten!
Bis bald!
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