16.5.18

Traumhafte Harzquerung

Vor 10 Jahren bin ich das erste Mal die Harzquerung von Wernigerode nach Nordhausen gelaufen. Fast nichts hat sich seit damals geändert - naja, die Bäume sind etwas größer geworden und die DDR-Turnhalle "Unter den Zindeln" in Wernigerode wurde durch einen Neubau ersetzt. Damit man den nicht dreckig macht, gibt es jetzt die Startunterlagen 200 Meter weiter. Wobei Startunterlagen ein großes Wort ist - es gibt eine kleine Startnummer ohne Werbung, was sehr angenehm ist, einen Wollfaden und einen gelochten Papierstreifen als Gepäckanhänger. Auch die Internetseite aus dem Jahr 2004 wurde nur durch neuere Ergebnisse ergänzt und hat ansonsten ihren Charme behalten.


 Wie immer legt man sein Gepäck am Start auf einen Haufen in eine Bushaltestelle, ohne das irgendjemand sichtbar wäre, der sich darum kümmert. Aber natürlich kommt alles zuverlässig in Nordhausen oder für die Kurzstrecke in Benneckenstein an. Kein Bürgermeister hält vor dem Start Reden und kein Lautsprecher plärrt. Irgendwann fällt ein Schuß und es geht los.


Auf den ersten drei Kilometern hat man 250 Höhenmeter und einige querliegende Bäume, aber das ist im Mittelfeld egal. Meinem Begleiter Ralf gebe ich die Parole Mitrollen aus. Er hat nur 25 Kilometer und zieht etwas. Wie genießen die grünende Natur bei sonnigem und kühlen Laufwetter. Leider geht es nicht über den Damm der Talsperre. Überhaupt gibt es doch einige kleine Streckenänderungen, da wohl auf dem normalen Weg einige Bäume quer liegen. An der ersten Verpflegungsstellen nach 11 Kilometern gibt es wie immer die Getränke aus den Restbeständen der DDR-Grenztruppen.


Irgendwann überholen wir Roland Winkler. Der heute 71-jährige flog mit 25 Jahren aus dem DDR-Laufkader wegen Perspektivlosigkeit. Er lief den Marathon damals nur in 2:17 Stunden. Ich treffe ihn immer etwa an der gleichen Stelle und jedes Mal erzählt er spannende Geschichten.

Bei Kilometer 20 biegt Ralf Richtung Benneckenstein ab. Ich hatte ein wenig Angst, nun allein laufen zu müssen. Aber mir geht es gut. Nur die geschätzte Zielzeit von 6 Stunden korrigiere ich etwa nach hinten. Die zweite Hälfte der Strecke ist eigentlich die schönere. Immer wieder führt die Strecke über kleine Brücken und Pfade, die anderswo Trails heißen.

Hinter dem Sophienhof bei Kilometer 30 geht es 4 Kilometer bergab, anfangs einen herrlichen Hangweg und dann neben der Harzquerbahn entlang. Es geht mir gut, doch auf Strava sehe ich, dass ich früher eine Minute pro Kilometer schneller war. Dafür ist es dieses Jahr hier besonders buchengrün.

Ab Kilometer 34 geht es auf den Poppenberg - 4 Kilometer mit 300 Höhenmetern. Anfangs geht es mir gut, doch oben wird es zäh. Ich futtere mein letztes Gel. Der steile Abstieg fällt mir schwer, mir schmerzen die älter gewordenen Knie. Als der Weg besser wird, geht es mir auch wieder besser.


Die letzten Kilometer geht es mir besser, als bei früheren Harzquerungen. Ich weiß um die letzten drei frühlingshaften Hügel, die im Profil nur unscheinbar wirken. Nach 6:17 Stunden laufe ich über die Ziellinie, die nicht vorhanden ist und nehme statt einer Medaille den Stift und den Aufnäher in Empfang. Eigentlich braucht man in den nächsten 10 Jahren auch nichts ändern.


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